Workation – Arbeiten, wo andere Urlaub machen

Mallorca, London, Fuerteventura – wer träumt nicht davon, dort zu arbeiten, wo andere Urlaub machen. Work und Vacation in einem. Workation statt Büro.

Immerhin 40 Prozent derjenigen, die es theoretisch „könnten“, haben es bereits ausprobiert und an Orten im Ausland gearbeitet, die sonst eher Anlaufpunkt für Urlauber sind. Dies ist das Ergebnis einer Befragung von PwC unter 1.000 Arbeitnehmenden, die ortsunabhängig arbeiten „können“.

Hybrides Arbeiten ist inzwischen selbstverständlich geworden. Viele wollen dabei die freie Wahl des Arbeitsortes und deren Vorzüge nicht aufgeben, sie wollen selbst bestimmen – und zwar nicht nur wann, sondern auch wo sie arbeiten.

Workation: Eine Betrachtung des Ist-Zustands

Unsere eigene Befragung im September 2022 ergab, dass 100 Prozent der Mitarbeitenden zukünftig (auch) im Homeoffice arbeiten möchten. 57 Prozent sagen, sie könnten sich vorstellen, dabei an Familienorten wie einem Ferienhaus oder bei den Eltern oder Großeltern zu arbeiten. 44,6 Prozent glauben, dass sie zukünftig auch an Urlaubsorten, vorzugsweise im Süden, arbeiten möchten.

Die Grenzen zwischen Arbeit (Work) und Urlaub (Vacation) verschwimmen zunehmend. Daher bieten auch immer mehr Unternehmen ihren Mitarbeitenden die Möglichkeit an, eine Workation einzulegen.

Sopra Steria, Otto, die Allianz, Philip Morris, Melitta, Continental oder Adidas erlauben inzwischen das Arbeiten aus dem Ausland (Quelle SZ, 25.03.2023). Otto war eines der ersten Unternehmen, die Workation erlaubten. 128 Mitarbeitende nutzten seit Oktober 2022 diese Möglichkeit. Bei Continental können Mitarbeitende bis zu 20 Tage in je zwei Ländern in der EU arbeiten, also 40 Tage. Sopra Steria erlaubt 21 Tage. Bei Adidas sind es zehn Tage im Jahr. Warum diese Beschränkungen?

Die Grenzen von Workation

Die rechtlichen Hürden für Workation sind hoch. Unternehmen müssen eine Vielzahl rechtlicher Vorschriften beachten. Hanna Kranz, HR Business Partnerin, Mitglied der Arbeitsgruppe Future Work und Workstreamlead Workflexibility bei Sopra Steria in Hamburg stellte dies in einem Workshop des flexible.office.network. genauer dar.

Hanna Kranz, Sopra Steria

Es sind die Regelungen der Sozialversicherung, die Gesetze des Arbeitsrechts, Melderechts, Steuerrechts und des Aufenthaltsrechts, die zu Beschränkungen führen. Deshalb erlauben die meisten Unternehmen auch nur Workation innerhalb Europas.

Die Sozialversicherung sei die größte Hürde, so Hanna Kranz. Die Regelungen sind dabei sehr unterschiedlich, auch in EU-Europa.

Aber dürfen eigentlich alle Mitarbeitenden Workation machen?

Selbstverständlich muss die Führungskraft zustimmen, denn das Team muss effizient arbeiten können. Andererseits muss der Mitarbeitende versichern, dass er seinen Erstwohnsitz in Deutschland behält, er an deutschen Feiertagen nicht arbeitet, keine Verträge im Ausland unterschreibt und weiterhin nur für seinen Arbeitgeber arbeitet. Auch muss er das Arbeitsrecht des jeweiligen Landes beachten und muss sich beispielsweise an die vor Ort erlaubten Arbeitsstunden pro Woche halten.

Auch das Steuerecht spielt eine Rolle, z.B. wenn Mitarbeitende Aufgaben für das Land wahrnehmen, in dem sie Workation machen. Dann wird nämlich das „Workation-Büro“ zur Betriebstätte des Unternehmens. Da einigen Unternehmen dies zu kompliziert ist, verzichten sie auf das offizielle Angebot einer Workation. Inoffiziell wird es dennoch gemacht: 14 Prozent geben in der PWC-Befragung an, ihrem Arbeitgeber nicht gesagt zu haben, dass sie einfach ins Ausland reisen und sich von dort aus in ihre Videokonferenzen mit einem neutralen Hintergrund einloggen. Häufig ist zumindest ihre Führungskraft informiert.

Workation – aber wie?

Eine Workation-Location zu finden, die eine entsprechende Möblierung und IT-Ausstattung bietet, um als Ersatzbüro zu dienen, ist nicht schwer. Hotels und Anbieter von Ferienwohnungen – meist in Spanien – ergänzen ihre Ausstattungen inzwischen um Schreibtisch, Bürostuhl. Eine schnelle Internetverbindung und WiFi sind meist bereits vorhanden.

Der Reisekonzern TUI bietet inzwischen sogar entsprechende Workation-Unterkünfte an. Bevorzugte Arbeitsorte sind oft auch die meist in größeren Orten vorhandenen Coworking-Spaces. Anders als bei Homeoffice-Vereinbarungen gibt es aber keine Regelung, dass der Arbeitgeber Kosten für die Workation übernimmt. Bezahlen muss der Mitarbeitende seinen Auslandsaufenthalt selbst, denn es ist ja auch Urlaub.

Wer kann und will Workation nutzen?

Genau wie das Homeoffice ist Workation nicht für jede Funktion und in jeder Lebenssituation möglich. 2021 gab es in Deutschland 18,9 Millionen erwerbstätige Frauen und 21,4 Millionen erwerbstätige Männer. In der Schweiz waren es 2,33 Millionen Frauen und 2,76 Millionen Männer.

Der Wertewandel bestimmt unser ganzes Leben. Das „Arbeits“-Leben wird angepasst an die Bedürfnisse des Lebens und nicht umgekehrt. Jede Stunde, die man mit Arbeit verbringt, ist eine Stunde weniger für Familie, Partnerschaft, Freizeit. Wer schulpflichtige Kinder hat, dem wird Workation nicht gelingen. Auch sollte der Partner/die Partnerin mitkommen wollen und von ihrem Arbeitgeber her dürfen bzw. er/sie kann einer zeitweisen Trennung zustimmen. Manchmal ist eine zeitlich befristete Fernbeziehung hilfreich für das Zusammenleben/-arbeiten, aber manchmal führt es auch zur Entfremdung.

Daher wird Workation wohl auch zukünftig eine Randerscheinung bleiben.  Nicht mehr als zehn Prozent aller Büroarbeitenden werden es voraussichtlich nutzen (können). Allerdings wünschen sich 25 Prozent der 18- bis 34-Jährigen diese Möglichkeit (Yougov-Befragung). Es ist also auch ein wichtiges Recruiting-Argument, Urlaub und Arbeit verbinden zu dürfen.

Was sind nun aber die Vorteile von Workation? Gelingt es, Urlaub zu machen und gleichzeitig produktiv zu arbeiten?

Otto wirbt auf seiner Website mit Workation als einem Weg zu einer besseren Life-Domain-Balance. Lässt sich die Arbeit und Privates besser gestalten? Schon aus den Homeoffice-Erfahrungen wissen wir, dass im Homeoffice nicht weniger gearbeitet wird, sondern effizienter und damit auch produktiver.

Man darf nicht die Aufgaben der einzelnen Lebensbereiche miteinander (zeitlich) vermengen, man muss sie konsequent (zeitlich) trennen. Eine Vermengung der Aufgaben führt zu mehr Stress, denn dann ist man immer in der Situation, an das zu denken, was man gerade nicht tut. Man kann also Urlaub und Arbeit miteinander verbinden, wenn man beides konsequent trennt. Wer bisher (im Homeoffice) gelernt hat, Freizeit, Hausarbeit, Familienarbeit, partnerschaftliches Verhalten und Arbeit zu trennen, dem wird es gelingen. Jeder Schritt zu mehr Flexibilisierung erfordert mehr Spielregeln zwischen allen Beteiligten und zwingt den Einzelnen zur Schaffung und Einhaltung von Ritualen. Dann gelingt das stressfreie Abschalten, das am Strandliegen, das Wandern in den Bergen, aber auch das produktive Arbeiten.

Über den Autor

Dieter Boch, iafob deutschlandDieter Boch ist geschäftsführender Gesellschafter des Instituts für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) und Leiter des internationalen Flexible.Office.Network., einem überbetrieblichen Forum für den Wissens- und Erfahrungsaustausch zur BüroArbeitswelt von Morgen. Als Dozent lehrte er an der Fachhochschule Salzburg und der Hochschule für Wirtschaft in Zürich Führungsverhalten und Future Work & Workplace Design. Der Diplom-Psychologe ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen und 
Mitherausgeber der Buchreihe „Flexible Arbeitswelten“.