Trend zu konzentrierter Einzelarbeit: Konzentration ist Kommunikation mit sich selbst

Neue Ideen entstehen entweder durch Anregungen und Austausch mit anderen oder durch konzentrierte Denkarbeit – durch Kommunikation mit sich selbst.

Für Unternehmen ist es wichtig, ablenkungsfreies Nachdenken zu ermöglichen und gleichzeitig Zusammenarbeit und Wissensaustausch zu unterstützen. Dazu müssen die richtigen Räume zur Verfügung stehen, die diese Prozesse zulassen und fördern.

Aber sich ganz auf eine Sache zu fokussieren ist im Arbeitsalltag fast unmöglich geworden. Denn Rückzugsräume für Einzelarbeit zu schaffen haben Unternehmen lange vernachlässigt. Stattdessen wurden verstärkt offene Flächen geschaffen, die den Kontakt und die Kommunikation mit anderen förderten.

Doch es zeigt sich ein starker Trend zur Rückbesinnung und Wiederentdeckung eines vernachlässigten Arbeitsmodus: der konzentrierten Einzelarbeit.

Ausgelöst wurde der Trend 2016 durch den amerikanischen Informatik-Professor Cal Newport, der viele Jahre am Massachusetts Institute of Technology (MIT) tätig war. Er schrieb das viel beachtete Buch „Deep Work“, in dem er anhand vieler Bespiele aufzeigt, wie essentiell wichtig fokussiertes Arbeiten für die Erledigung einer Aufgabe ist. Seine durch zahlreiche Studien der experimentellen Psychologie belegten Erkenntnisse sind inzwischen auch in Deutschland aufgegriffen worden und werden u.a. bei Daimler und BMW diskutiert.

Prof. Dr. Hartmut Schulze, Mitglied im flexible.office.network. berichtet, dass Novartis darüber nachdenkt, in seinem Bürokonzept eine Veränderung zugunsten von Rückzugsräumen vorzunehmen. Auch bei der ERSTE Group Bank in Wien denkt man, nach Aussage von Michael Werner, Head of Real Estate Projects, darüber nach, in dem als mustergültig anzusehenden und von den Mitarbeitenden akzeptierten Multi-Space-Konzept, die in der offenen Fläche angesiedelten Arbeitsplätze für individuelles Arbeiten räumlich abzutrennen.

Die Swisscom in Bern ist diesen Schritt bereits gegangen. Sie hat in einem geschlossenen Raum Einzelarbeitsplätze eingerichtet. An der geschlossenen Tür hängen die Spielregeln für die Benutzung, Spielregeln, die jede Störung ausschließen sollen. Sandro Zimmermann, ebenfalls Mitglied im flexible.office.network. berichtet, dass diese Arbeitsplätze intensiv genutzt werden und damit zur hohen Zufriedenheit der Mitarbeitenden mit ihrer einzigartig gestalteten Multi-Space-Fläche beitragen.

Der US-amerikanische Möbelhersteller Haworth hat in einer Studie in seiner Firmenzentrale in Michigan untersucht, wie stark unterschiedliche Arten von Räumen ausgelastet sind. Die Einzelräume, in denn die Mitarbeitenden konzentriert und ungestört arbeiten konnten, waren am häufigsten besetzt (Handelsblatt, 15.05.2018).

Doch was sind die Gründe für diese Rückbesinnung auf konzentriertes Arbeiten?

Wir reden heute von Wissensarbeitern, wenn wir von Mitarbeitenden im Büro sprechen. Es ist schwer zu definieren, was ein Wissensarbeiter eigentlich genau macht. Doch eines ist sicher: Es sind nicht nur die (zufälligen) Begegnungen im Open Space, die im Vorübergehen neue Ideen erbringen, sondern auch die vertiefte Bearbeitung des errungenen Wissens. Dabei stellt ständige Ablenkung heute das Hindernis Nummer eins für vertieftes Arbeiten dar. Lärm in Open Spaces, parallele Kommunikationskanäle und ein steter Strom neuer Informationen führen dazu, sich nicht mehr konzentrieren zu können.

“Auf allen Kanälen ‚on’ sein führt zur digitalen Erschöpfung”, schreibt Markus Albers, Journalist und Mitgründer von Rethink und Neuwork, in seinem aktuellen Buch „Digitale Erschöpfung“. “Viele wichtige Tätigkeiten beruhen nicht auf Kollaboration, sondern auf Introspektion. Es ist der vielleicht schwierigste Kampf in der neuen Arbeitswelt: das Bedürfnis nach Ungestörtheit und nach Alleinsein zu verteidigen.”

Trennen wir doch das Bestreben, Ideen durch (zufällige) Begegnungen zu erhalten von dem Vorhaben des konzentrierten Verarbeitens einer Idee. Versuchen wir doch jede Performance einzeln zu optimieren, statt sie miteinander zu einem Gemisch zu vermengen, das beiden Zielsetzungen im Weg steht. Das heißt: Wir brauchen sowohl „Coworking“ als als „Deep Work“, um effizient zu arbeiten und optimale Ergebnisse zu erzielen.