Die Hybridisierung der Büro-Arbeitswelt – von Dieter Boch

Besprechung am Schreibtisch

Von Dieter Boch, Geschäftsführer iafob deutschland und Leiter des überbetrieblichen flexible.office.network.

Als im Jahre 2002 das flexible.office.network. gegründet wurde, wollten sich die Mitglieder nicht mit Fragestellungen beschäftigten wie „Wie lässt sich Bürofläche einsparen, um damit Kosten zu sparen“.

Es ging darum, die Arbeit im Büro zu analysieren, um Arbeitsprozesse zu verbessern und dadurch effizienter zu werden. Es ging auch darum, dass Büroflächen bisher nicht ausreichend als Triebfeder für Innovationen genutzt wurden.

Neue Kommunikationstechnologien entwickelten sich in den 00-er Jahren, komplexere Aufgaben und veränderte Bedürfnisse der Menschen nach Work-Life-Balance mussten beachtet werden.

Neue Kommunikationstechnologien entwickelten sich in den 00-er Jahren, komplexere Aufgaben und veränderte Bedürfnisse der Menschen nach Work-Life-Balance mussten beachtet werden.

Die Mitarbeitenden als Leistungsträger für Innovation und Produktivität konnten nicht nur wie Schachfiguren auf der Bürofläche platziert werden, sondern mussten aktiv in die Gestaltung ihrer Arbeitswelt einbezogen werden. Es war also an der Zeit, die Vorgehensweise zu verändern und das herkömmliche Planen über die Köpfe hinweg in einen planerischen Dialog zu wenden. In diesen Jahren spielte aber noch die Frage nach der Belegungsquote bei der Flächenplanung und insbesondere das Desk-Sharing eine wichtige Rolle.

„Zunehmend setzte sich die Erkenntnis durch, dass das Büro heute nicht mehr ein Ort der Aufgabenerfüllung ist, sondern als Werkzeug zur Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens beiträgt.

Ab 2010 kamen Bürokonzeptionen ohne die klassische Zählung von Mitarbeitern und der darauf basierenden Berechnung von Flächenbedarf und Schreibtischanzahl aus. Vielmehr konzentrierten sie sich auf die Untersuchung der Arbeitssituationen, -formen und -prozesse, die in einem Unternehmen abzubilden sind. In diesem Jahrzehnt lag der Impuls für die Erneuerung unserer Bürolandschaften in sich ständig verändernden Prozessen, einer zunehmenden Digitalisierung und dem allgemeinen gesellschaftlichen Wandel. Diese Entwicklungen verlangten völlig neue Arbeitsmethoden.

Zunehmend setzte sich die Erkenntnis durch, dass das Büro heute nicht mehr ein Ort der Aufgabenerfüllung ist, sondern als Werkzeug zur Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens beiträgt. Innovationen sind nicht nur bei Produkten, sondern auch bei Prozessen und Strukturen gefragt. Es wurde erkannt, dass die Arbeit eine soziale Dynamik hat.

In einem modernen Büro wird aus der linearen eine fließende Bearbeitung, in der Wissen aufgebaut, ausgetauscht, mitgeteilt und transformiert wird. Arbeit in wechselnden realen und virtuellen Teams ist die Regel geworden ebenso wie das durch die IT möglich gemachte mobile Arbeiten an jedem Ort, auch zu Hause.

Aber nicht nur die herkömmlichen Prozesse, auch die herkömmlichen Einrichtungs-, und auch die Führungsmuster wurden in dieser Zeit hinterfragt und verändert. Die Arbeit wurde befreit von Kontrolle, vom Misstrauen, von veralteten Führungsregeln.

„Nicht mehr Schreibtisch und Stuhl waren die Kriterien für die Definition des Arbeitsplatzes, sondern die Erfüllung der Raum-Bedürfnisse des Menschen in Bezug auf das Produzieren, Recherchieren, sich konzentrieren, Kommunizieren, Lernen und sich ausruhen.

Die Abbildung der unterschiedlichen geistigen Arbeits- und Erholungsprozesse in verschiedenen „Arbeitsräumen“ wurde erforderlich. Die Architektur der Arbeit und die Architektur des Bauens und Gestaltens gingen Hand in Hand beim Schaffen einer Arbeitslandschaft. Nicht mehr Schreibtisch und Stuhl waren die Kriterien für die Definition des Arbeitsplatzes, sondern die Erfüllung der Raum-Bedürfnisse des Menschen in Bezug auf das Produzieren, Recherchieren, sich konzentrieren, Kommunizieren, Lernen und sich ausruhen.

Hat jeder jederzeit den „Raum“, den er für die Arbeit braucht? „Mein Arbeitsplatz, mein Büro, meine Abteilung“ wurde auf diese Weise ersetzt durch „wieviel Raum und Dialog brauchen wir für die Arbeit?“

Heutige Büroflächen – zu Beginn der 20er Jahre des 21. Jahrhundert – sind ein Abbild der Anforderungen des Menschen an die Büro-Arbeit. Sie erfüllen den Wunsch des Menschen nach Kommunikation und Konzentration, nach Erreichbarkeit und Rückzug. Wir brauchen in Zukunft einerseits Lösungen für die neuen Anforderungen an die Kommunikation, aber auch an das starke Bedürfnis der Mitarbeitenden, sich auch aus dem Kommunikationsfluss zurückziehen zu können.

„Heutige Büroflächen – zu Beginn der 20er Jahre des 21. Jahrhundert – sind ein Abbild der Anforderungen des Menschen an die Büro-Arbeit. Sie erfüllen den Wunsch des Menschen nach Kommunikation und Konzentration, nach Erreichbarkeit und Rückzug.

Es geht um das Arbeiten, nicht um die Gestaltung des Büros. Es geht um zusammenarbeiten, kommunizieren, kreativ sein, recherchieren, lernen, produzieren und um konzentriertes und fokussiertes Nachdenken.

Die Gestaltung der Arbeit rückt wieder in den Mittelpunkt und nicht die Gestaltung von Arbeitsmitteln und -umgebung – und damit auch der Mensch, der arbeitet. Nicht ein Büro einzurichten ist das erste Ziel, sondern die sinnhafte Gestaltung der Arbeit.

Durch den Wechsel zur Informationsgesellschaft wächst der Anteil an Wissensarbeit. Und Wissensarbeit ist gekennzeichnet durch kreative Arbeitsprozesse. Diese erfordern ein Bürokonzept, das einen Mix aus offenen und geschlossenen Flächen bietet. Für Kommunikation, ideenreiches Entwickeln und konstruktive Zusammenarbeit sind offene Flächen notwendig. Zur Konzentration, Fokussierung und Erholung sollten weitgehend akustisch und optisch abgeschirmte Flächen vorhanden sein.

Offene, multifunktionale Bereiche schaffen Visibilität und Transparenz und ermöglichen eine gute Aufenthaltsqualität. Auf unterschiedlichen Kommunikationsflächen kann spontaner Gedankenaustausch stattfinden. Ruhezonen erlauben Pausen, Erholung und individuelle Kontemplation. Klare Spielregeln zwischen den Nutzern und professionelle Akustiklösungen gewährleisten ein kreatives, produktives und gesunderhaltendes Arbeiten.

„Die Planung moderner Büro-Arbeitswelten ist keine rein organisatorische oder rein architektonische Aufgabe. Es ist die Schnittstelle dieser Disziplinen, die es zu besetzen gilt.”

Wir benötigen gleichzeitig Flächen, um allein neues Wissen zu erlernen und gemeinsam dieses Wissen weiterzuentwickeln. Flächen, um allein zu recherchieren und im Team Lösungen zu finden. Also sowohl Flächen, auf denen Deep Work möglich ist, als auch solche für das Coworking.

Eine flexible Raumstruktur, die modular offene und abgeschirmte Flächen, beschreibbare Wände und perfekte mediale und digitale Unterstützung bietet, kennzeichnet die Büro-Arbeitswelt von morgen.

Die Planung moderner Büro-Arbeitswelten ist keine rein organisatorische oder rein architektonische Aufgabe. Es ist die Schnittstelle dieser Disziplinen, die es zu besetzen gilt. Im Unterschied zu den vergangenen beiden Jahrzehnten müssen die Beteiligten, also das Unternehmen mit seinen Mitarbeitenden, die Arbeitsorganisatoren, Facility Management, Human Resources, IT-Spezialisten und Architekten, von Anfang an zusammenarbeiten.

„Arbeiten wie ich will“ – Wie Mitarbeitende den Umzug in einen „Open Space“ empfinden. Ein Projektbericht von Dieter Boch, Geschäftsführer iafob Deutschland

Mitarbeiter in Arbeitsumgebung

Wie entwickelt sich die Zufriedenheit von Mitarbeitenden mit neuen Open-Space-Büroräumlichkeiten über einen Zeitraum von 24 Monaten? Dies hat das Institut für Arbeitsforschung und Organisationsberatung (iafob deutschland) in einem Evaluationsprojekt untersucht.

Über zwei Jahre hinweg führte das iafob deutschland in einem Unternehmen regelmäßig Befragungen zur Nutzerzufriedenheit und Identifikation mit dem Büro-Arbeitsplatz-Konzept „Open Space“ durch. Abgefragt wurde vor der Neugestaltung und dann jeweils sechs, 12 und 24 Monate nach der Umgestaltung.

Nach dem Umzug sinkt die Zufriedenheit

Unsere Evaluationsergebnisse in allen Unternehmen zeigen, dass die Zufriedenheitswerte nach dem Umzug nicht den Ausgangswert der Befragung vor dem Umzug erreichen.

Vor dem Umzug plagen die Mitarbeitenden „Befürchtungen“, Gutes und Gewohntes zu verlieren und die „Angst“ vor Neuem und Ungewohntem. Darum bewerten sie die bestehende Situation besser als sie eigentlich ist.

Abgefragt wurden neben der allgemeinen Arbeitszufriedenheit auch die Themenbereiche Infrastruktur, Raumangebot, Kommunikation & Zusammenarbeit und Wohlbefinden.

Zufriedenheit wächst mit der Zeit

Die allgemeine Arbeitszufriedenheit steigt kontinuierlich: von Befragung zu Befragung ist die Zufriedenheit der Mitarbeitenden kontinuierlich gewachsen. Die Mitwirkung bei der Gestaltung als wichtiges Changemanagement-Element führte dazu, dass die Zahl der Unzufriedenen sich halbiert und die Zahl der sehr Zufriedenen sich mehr als verdoppelte.

Changemanagement ist eben keine einmalige Aktion, sondern ein permanenter Begleitprozess, der unabhängig vom Projekt ist und durch Evaluationsstudien zielgerichtet eingesetzt werden kann (kein Stochern im Nebel).

Zahl der Unzufriedenen konstant

Die Zahl derjenigen, die insgesamt die Neue Arbeitswelt ablehnt (alle Aspekte haben sich verschlechtert), hat sich von Befragung zu Befragung nicht verändert. In unseren zahlreichen Evaluationsstudien zeigt sich wieder und wieder das gleiche Ergebnis: Es gibt immer einen Teil der Befragten, die jedem Wandel skeptisch gegenüberstehen und daher die Verbesserungen nicht sehen wollen.

Der Anteil derjenigen, die gegen jeglichen Wandel sind, liegt bei zehn bis 15 Prozent (zahlreiche deutsche Studien zu Changemanagement-Projekten belegen dies).

Veränderungen in der Arbeitswelt sind der Normalzustand. Deshalb gilt es, diejenigen zu unterstützen, die konstruktive Vorschläge unterbreiten. Die Bereitschaft der Mitarbeitenden in einer Open-Space-Bürolandschaft zu arbeiten, stieg von Befragung zu Befragung, weil die vielen inhaltlichen und konstruktiven Vorschläge der Befragten konsequent umgesetzt wurden.

In all unseren Evaluationsstudien zeigt der Themenbereich „Infrastruktur“ die höchsten Zustimmungswerte. Der Themenbereich „Wohlbefinden“ ist in vielen Unternehmen der Bereich mit niedrigen Zufriedenheitswerten. Er ist nicht allein durch Maßnahmen der Büro-Arbeitsgestaltung zu verbessern, sondern auch durch Maßnahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagements und wird außerdem durch die Führungskultur bestimmt.

Nicht nur Kommunikation, sondern auch Konzentration

Im Themenbereich „Kommunikation & Zusammenarbeit“ zeigt sich über alle Unternehmen hinweg die größte Schwäche des Open-Space-Konzepts. Es fördert die Kommunikation, beachtet aber nicht, dass auch Konzentration – also die Kommunikation mit sich selbst – zum Arbeiten dazugehört. Wenn Mitarbeitende sich nicht trauen zu kommunizieren, um andere nicht zu stören, fehlt eine klare räumliche, akustische Trennung von Kommunikationszonen zum Zusammenarbeiten und Ruhezonen (Silent Rooms) für konzentrierte Einzelarbeit.

Es fehlt aber auch an „Spielregeln“ oder deren Umsetzung (Führung) für die Nutzung der vorhandenen Räumlichkeiten (Denkerzellen, Projekträume, Rückzugsräume). Und es fehlt die Einübung in flexibles Arbeiten (Wechsel zwischen Zusammenarbeit und konzentrierter Einzelarbeit).

Bei allen Open-Space-Umsetzungen zeigt sich immer wieder, dass es nicht nur eine Methode ist, die Arbeitsumgebung zu gestalten, sondern ein ganzheitlicher Ansatz, der die Arbeitskultur verändert und eine integrierte Lösung von Führungsleitlinien, IT und Facility-Management verlangt.